Libyen:Dutzende Tote bei Luftangriff auf Flüchtlingslager bei Tripolis

Angriff auf Migrantenzentrum in Libyen

Libysche Mitarbeiter des Roten Halbmonds bergen Leichen nach einem Luftangriff auf ein Migrantenzentrum.

(Foto: dpa)
  • Die von der UN unterstützte libysche Regierung macht die selbsternannte Libysche Nationalarmee (LNA) für den Luftangriff auf ein Flüchtlingslager mit mindestens 35 Toten verantwortlich.
  • Mehr als 70 Personen wurden verletzt. In dem Lager sollen mehr als 600 Migranten untergebracht gewesen sein.
  • Libyen ist zwischen zwei rivalisierenden Regierungen gespalten, die seit 2014 gegeneinander kämpfen.

Bei einem Luftangriff in einem Vorort der libyschen Hauptstadt Tripolis ist ein Gefangenenlager für Migranten getroffen worden. Mindestens 40 Menschen seien in dem Lager in Tagiura (Tajoura) getötet und mehr als 70 weitere verletzt worden, teilte ein Sprecher der libyschen Gesundheitsbehörden in der Nacht auf Mittwoch mit. Die libysche UN-Mission erhöhte die Zahl der Toten auf mindestens 44. Mehr als 130 Menschen seien verletzt worden. In dem Lager waren der Nachrichtenagentur AP zufolge 616 Migranten und Flüchtlinge untergebracht.

Die Vereinten Nationen verurteilten den Angriff. Auch das Flüchtlingshilfswerk UNHCR äußerte sich "extrem besorgt" angesichts der Berichte über den Luftangriff auf das Flüchtlingslager. "Zivilisten sollten nie als Ziele genommen werden", twitterte das UNHCR. In einer Mitteilung machte die von den UN unterstützte libysche Regierung die selbsternannte Libysche Nationalarmee (LNA) des Generals Chalifa Haftar für den Luftangriff verantwortlich. Die LNA äußerte sich dazu zunächst nicht.

Auch die Afrikanische Union hat nach dem Luftangriff eine unabhängige Untersuchung gefordert. Die Verantwortlichen für dieses "schreckliche Verbrechen" sollten zur Rechenschaft gezogen werden, sagte Moussa Faki Mahamat, der Kommissionsvorsitzende der afrikanischen Staatenorganisation. Er forderte zudem einen sofortigen Waffenstillstand in der Hauptstadt Tripolis, auf die der abtrünnige General Chalifa Haftar seit April eine Offensive führt.

Libyen ist zwischen zwei rivalisierenden Regierungen gespalten. Beide werden jeweils von Milizen unterstützt, die verschiedene Städte unter ihrer Kontrolle haben. Haftar kontrolliert weite Teile des Ostens und Südens des Landes. Vergangene Woche musste er einen herben Rückschlag einstecken, als mit der Regierung in Tripolis verbündete Milizen die strategisch wichtige Stadt Garian (Gharyan) zurückeroberten. Über Garian lief ein großer Teil der Versorgung der LNA.

Viele der lose mit der UN-gestützten Regierung in Tripolis alliierten Milizen haben ihre Lager in Tagiura, östlich des Zentrums von Tripolis, wo auch das angegriffene Lager liegt. Haftars Truppen haben die gegnerischen Milizen bereits in den vergangenen Wochen aus der Luft angegriffen. Haftars Ziel ist es nach eigener Aussage, Stabilität in das nordafrikanische Land zurückzubringen. Er wird von Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien unterstützt. Seine Rivalen in Tripolis erhalten Unterstützung aus der Türkei und Katar.

In den Gefangenenlagern in Libyen sind mindestens 6000 Migranten aus Eritrea, Äthiopien, Somalia, dem Sudan und anderen Ländern inhaftiert. Die Lager werden von Milizen betrieben, denen Folter und andere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Die meisten gefangenen Migranten wurden von der libyschen Küstenwache festgenommen, die von der Europäischen Union mitfinanziert und ausgebildet wird.

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